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Originaltext in deutscher Übersetzung
Das Bekenntnis von Detmold
Wir, Christen verschiedener Kirchen aus Rwanda und anderen Ländern, sind auf Einladung von Dr. Fulgence Rubayiza und unter Mithilfe der ökumenischen Gemeinschaft von Hidessen zusammen gekommen und haben uns vom 7. - 12. 12. 1996 in Detmold, Deutschland, versammelt. Wir haben miteinander gebetet und nachgedacht über unser Engagement für den Aufbau einen harmonischen Rwanda, wo es sich für alle Menschen gut leben lässt. Nach Diskussion, Austausch und Gebet erklären wir folgendes:
I. Das rwandische Volk wird sich nicht versöhnen können, wenn nicht jede Volksgruppe bereit ist, vor dem Leiden der anderen niederzuknien, ihr jeweils eigenes Verbrechen vor der anderen zu bekennen und ihre Opfer um Vergebung zu bitten.
II. Deshalb:
1. Wir, in Detmold versammelte Christen der Gruppe der Hutu erkennen an, dass unsere Angehörigen die Tutsi auf vielfältige Weise seit 1959 unterdrückt haben. Wir bekennen das Verbrechen des Völkermordes, das von der Gruppe der Hutu an der Gruppe der Tutsi zu verschiedenen Zeiten der Geschichte Rwandas und vor allem im Jahre 1994 begangen wurde.
Wir schämen uns der Schrecken und Grausamkeiten, die die Hutu den Tutsi zugefügt haben: Menschen wurden gefoltert; Frauen wurden vergewaltigt; Schwangeren wurden die Bäuche aufgeschlitzt; menschliche Körper wurden in Stücke geschnitten; Menschen wurden lebendig begraben; andere wurden mit Hunden gejagt wie auf der Treibjagd; es wurde in Kirchen und Gottesdiensten gemordet, die früher als Orte des Asyls anerkannt waren; es fanden Massaker an alten Menschen statt, an Kindern und Kranken in Krankenhäusern; Menschen wurden gezwungen, ihre Verwandten umzubringen; andere wurden lebendig verbrannt Begräbnisse wurden verweigert - es wären noch tausend andere zynische Methoden zu nennen, mittels derer Menschen entwürdigt und in Hohn und Spott zu Tode gebracht wurden.
Wir tragen das furchtbare Gewicht dieses unbeschreiblichen Verbrechens auf unseren Schultern, und wir sind bereit, dafür ohne Groll die Konsequenzen zu tragen. Wir flehen unsere Hut-Brüder und -Schwestern an, diese furchtbare Vergangenheit nicht zu vergessen, wenn sie die gegenwärtigen Verhältnisse in Rwanda beurteilen. Demütig bitten wir Gott und unsere Tutsi-Brüder und -Schwestern um Vergebung für all das Böse, was wir ihnen zugefügt haben. Wir verpflichten uns, alles zu tun, was in unserer Macht steht, um ihnen ihre Ehre und Würde zurück zu geben und selber vor ihren Augen unsere verloren gegangene Menschlichkeit wiederzufinden.
2. Wir, in Detmold versammelte Christen aus der Gruppe der Tutsi, sind glücklich und fühlen uns erleichtert durch die Bitte unserer Hutu-Geschwister um Vergebung.
Wir bitten unsererseits Gott und die Hutu um Vergebung für die blinde Unterdrückung und Rache, die jenseits jeder legitimen Verteidigung von unseren Angehörigen gegenüber der Hutu-Bevölkerung geübt wurde.
"Inkoni ikubise mukeba uyirenza urugo"
(Die Legitimierung des Bösen unter dem Vorwand, es treffe den Gegner, wendet sich schließlich gegen den, der es legitimiert.
Auch wir bitten Gott und unsere Hutu-Geschwister um Vergebung für eine gewisse arrogante und verächtliche Haltung, die wir ihnen gegenüber im Laufe unserer Geschichte im Namen eines lächerlichen Komplexes ethnischer Überlegenheit eingenommen haben.
3. Wir, in Detmold versammelten Christen aus der westlichen Welt, sind dankbar für die Freundschaft, für das Vertrauen und für die Einladung, die unsere rwandischen Brüder und Schwestern an uns ausgesprochen haben, damit wir ihr gebet, ihre Über-legungen, das Hören auf ihre Leiden und ihre Hoffnung teilen können. Wir bekennen, dass wir seit Ankunft der ersten Europäer in Rwanda nachhaltig dazu beigetragen haben, die Spaltungen in der rwandischen Bevölkerung zu vertiefen.
Wir bedauern, dass wir in einem unberechtigten Gefühl von Überlegenheit und Sicher-heit Menschen diskriminiert haben. Wir haben verallgemeinert und die einen für gut und die anderen für schlecht gehalten.
Wir bedauern, dass unsere Länder durch Waffenlieferungen an alle Kriegsparteien die Gewalt gefördert haben. Wir bedauern, dass wir bezüglich der Flüchtlinge in den Jahren der Unabhängigkeit geschwiegen und sie im Stich gelassen haben. Wir bedauern, dass wir bezüglich des Völkermordes und der Massaker des Jahres 1994 geschwiegen und das rwandische Volk im Stich gelassen haben. Wir bedauern, dass wir es an der Bereitschaft haben fehlen lassen, zuzuhören und die Leiden unserer rwandischen Freunde zu teilen.
Für all das Böse bitten wir Gott und unsere rwandischen Schwestern und Brüder, die wir nicht als solche respektiert haben, aufrichtig um Vergebung. Wir wollen uns verpflich-ten, uns in der Nachfolge Jesu auf den Weg des Zuhörens, des Respektes und der Soli-darität zu machen.
III. Wir rufen alle Gruppen der rwandischen Gesellschaft sowie ihre Freundinnen und Freunde aus der Internationalen Gemeinschaft auf, sich ebenfalls durch das Elend der einen und der anderen betreffen zu lassen. Wir ermahnen sie zur Zusammenarbeit, um all diejenigen zu unterstützen und zu rehabilitieren, die durch die rwandische Tragödie verletzt wurden: die Witwen, die Waisen, die Gefangenen, die alten und neuen Flücht-linge, die Obdachlosen, und die, denen nie wirklich geholfen wurde, die vielmehr ihrem Schicksal überlassen blieben: die Batwa. Möge jeder in Rwanda Anerkennung und Respekt finden, einen Raum, Wurzeln zu schlagen inmitten von Brüdern, Schwestern und Freunden.
IV. Wir danken dem Vater, der uns seinen Geist gegeben hat, um unsere steinernen Herzen aufzubrechen und uns von Misstrauen und Angst zu befreien, die uns vonein-ander trennten. Er hat uns von Neuem zu Brüdern und Schwestern gemacht, die sich gemeinsam verpflichtet wissen auf dem Weg Seines Sohnes, der starb und auferstand, um die Menschen mit Gott und untereinander zu versöhnen.
Kontaktadresse: Brigitte Grosche,
Römerweg 22, D-32760 Detmold
e-mail: brigitte.grosche@t-online.de